Situationsansatz in Pädagogik und Kita

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Der Situationsansatz wurde in den 1970er Jahren von Jürgen Zimmer entwickelt. Der Situationsansatz in der Pädagogik möchte sich möglichst direkt am Kind und seiner Lebenswelt orientieren. In seiner theoretischen Ausarbeitung ist der komplex und vielseitig. Die Stärke des Situationsansatzes ist aber der klare Praxisbezug und die Implementierung in den pädagogischen Alltag. Die Inhalte des Ansatzes sind vor allem Einstellungs- und Haltungssache der pädagogischen Fachkräfte. In diesem Beitrag werfen wir einmal einen genauen Blick auf den Situationsansatz nach Jürgen Zimmer. 

Inhaltsverzeichnis

Situationsansatz in der Pädagogik - Was ist das?

Das Deutsche Jugendinstitut (kurz DJI) entwickelte in einem Modellprojekt unter der
Leitung von Jürgen Zimmer in den 1970er Jahren einen Lernansatz, welcher heute als Situationsansatz bekannt ist. Ausschlaggebend für den neuen Lernansatz war die direkte Orientierung am Kind. Es sollte ein Lernansatz entwickelt werden, welcher sich an den jeweiligen Fähigkeiten und Interessen der Kinder orientiert, unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituationen. Über viele Jahre arbeiteten an der Entwicklung des Situationsansatzes mehr als 210 Einrichtung, 1.700 Erzieher und Erzieherinnen und 60 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Es zeigte sich bei der Auswertung, dass sich Kinder auf eigene Initiative positiv weiterentwickelten, wenn individuell und situativ auf sie und ihre Interessen eingegangen wird. Was den Situationsansatz genau aus macht wollen wir uns jetzt genauer anschauen.

Situationsansatz Pädagogik

Was macht den Situationsansatz in der Pädagogik aus?

Der Situationsansatz verfolgt das Ziel, die Kinder darin zu unterstützen, ihre Lebenswelt zu verstehen und Selbstbestimmung und verantwortungsvoll zu gestalten.
Als Hauptziel des Ansatzes wird die Autonomie, die Solidarität und die Sachkompetenz genannt. Im Situationsansatz wird sich immer an den Rechten der Kinder orientiert, das Kind mit seinem Verhalten und Erleben steht dabei im Mittelpunkt. Pädagogische Fachkräfte, welche nach dem Situationsansatz arbeiten, schaffen für die Kinder anregungsreiche Lernsituationen und erkennen sogenannte Schlüsselsituationen. Anhand dieser Schlüsselsituationen sollen Kinder exemplarisch ihre Handlungsfähigkeit in der Welt und unserer Gesellschaft entwickeln können. Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die kindliche Entwicklung indem sie die Schlüsselsituationen aufgreifen, im Blick halten, Kinder ermächtigen und ihre
Möglichkeiten aufzeigen.

Die Mentalität und den Gedanken hinter dem Ansatz beschreibt Jürgen Zimmer wie folgt: „Der Situationsansatz ist eine Einladung, sich auf das Leben einzulassen.“ 
Es wird der Anspruch formuliert, dass Kinder, Jugendlichen und Erwachsene gemeinsam ihre Lebenswelt gestalten und so auf gesellschaftliche Prozesse Einfluss nehmen, der Situationsansatz soll Kinder dazu befähigen, ermutigen und stark machen.

Die 5 Dimensionen des Situationsansatzes

Im Situationsansatz werden 5 Dimensionen beschrieben, diese wollen wir uns jetzt anschauen.

Lebensweltorientierung im Situationsansatz

Die Lebenswelt des einzelnen Kindes wirkt sich auf die Entwicklung aus. Zur Lebenswelt gehört beispielsweise die Familienstruktur, die Bezugspersonen, der alltägliche Ablauf und alles, was das Leben für das Kind aus macht. Dabei ist es besonders wichtig, wie sich das Kind in seiner Lebenswelt fühlt, was ihm wichtig ist und welche Werte vermittelt werden. Um die eigene professionelle pädagogische Arbeit lebensweltorientiert zu gestalten, muss mit dem Kind ins Gespräch gekommen werden. 

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Die Bildung im Situationsansatz

Bei dieser Dimension ist es wichtig den zu Grunde legenden Bildungsbegriff zu verstehen. Es geht nicht nur um das bloße Sachwissen von Dingen, dies stellt einen kleinen Teil des Bildungsbegriffs dar. Es geht viel mehr um die Auseinandersetzung mit Wissen unterschiedlichster Bereiche, die Auseinandersetzung mit der eigenen Personen (also der Weiterentwicklung des Selbstbewusstseins) und einer Auseinandersetzung von diesen Punkten in Abgleich mit anderen Personen, der Umwelt und der Gesellschaft.

In einer Kindertagesstätte könnte beispielweise Sachwissen erworben werden, aber erst die Auseinandersetzung des Themas in der Gruppe und die praktische Anwendung und Bedeutung für die Gesellschaft formt es zu einem Bildungsbegriff. Neben bloßem Sachwissen lernen Menschen durch Bildung also beispielweise auch, wie eine Gruppe oder Gesellschaft funktioniert, wie man diese mitgestalten kann und welche Themen für eben diese relevant sein können.

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Die Partizipation im Situationsansatz

Unter Partizipation versteht man die Beteiligung, Mitwirkung und Mitbestimmung der Kinder und Eltern. Du findest hier einen ausführlichen Beitrag zum Thema Partizipation. Die Partizipation muss als Grundrecht angesehen werden. Vor allem da es ungleiche Verhältnisse zwischen Macht, Rechten und Ressourceninhabern gibt. Trotz dieser ungleichen Verteilung von Verhältnissen hat jeder das Recht auf Beteiligung, Mitwirkung und Mitbestimmung.

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Gleichheit und Differenz im Situationsansatz

Dieser Punkt lässt sich kurz zusammenfassen und erklären. Alle Menschen sollten die gleichen Rechte haben, aber dennoch in ihrer Differenz und Unterschiedlichkeit akzeptiert und wertgeschätzt werden.

Einheit von Inhalt und Form im Situationsansatz

Einrichtungen sollten sich dauerhaft hinterfragen. Im schlechtesten Fall etabliert sich in der pädagogischen Arbeit eine festgefahrene Struktur, welche nicht mehr hinterfragt wird. Dann wird es schwer, flexibel, individuell und angemessen auf die Kinder und Familien einzugehen. Die Einrichtung mit ihrem Konzept und der Arbeit sollte also niemals festgefahren und als abgeschlossen angesehen werden. Viel mehr sollte es eine Symbiose zwischen allen beteiligten Personen und der Einrichtung mit seiner Struktur darstellen und es sollte eine dauerhafte Weiterentwicklung stattfinden. Erst so kann ein wirklich produktives Leben, Lernen und Arbeiten ermöglich werden.

Das Bild vom Kind im Situationsansatz

Im Situationsansatz wird davon ausgegangen, dass das Kind über die Möglichkeit verfügt, die eigene Entwicklung aktiv zu gestalten, selbst zu steuern und somit einen sozialen Akteur darzustellen.

Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, eine abwechslungsreiche Umgebung zu schaffen, Anreize zur Selbstentfaltung zu bieten und eine altersgemäße Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen. So können Kinder eigene Lösungsstrategien entwickeln und lernen eine eigene Meinung zu entwickeln und Dinge kritisch und konstruktiv zu hinterfragen.

Durch heterogene (also altersgemischte) Gruppen herrscht tendenziell weniger Konkurrenz. Dies fördert die Lernumgebung. Die Jüngeren profitieren von den Älteren und die Älteren können ihr Wissen erproben und an die Jüngeren weitergeben. Des Weiteren nennenswert ist die Öffnung nach außen. So können beispielsweise Eltern, welche als Erziehungspartner gesehen werden, in Aktivitäten oder Projektarbeiten der Einrichtung einbezogen werden. Auch naheliegende Institutionen können einbezogen werden, beispielsweise Bibliotheken, Feuerwehren, die Post und so weiter. Dies knüpft an die Lebenswelt der Kinder an, sie können sich entfalten und ausprobieren.

Schlüsselsituationen im Situationsansatz der Pädagogik

Anhand von Schlüsselsituationen sollen Kinder exemplarisch ihre Handlungsfähigkeit in der Welt und unserer Gesellschaft entwickeln können. Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die kindliche Entwicklung indem sie die Schlüsselsituationen aufgreifen, im Blick halten, Kinder ermächtigen und ihre Möglichkeiten aufzeigen. Eine Schlüsselsituation charakterisiert sich unter anderem dadurch, dass sie eine Lebenssituation für das Kind darstellt, welche auch über den einzelnen Augenblick hinaus von Bedeutung ist. Diese Schlüsselsituation knüpft an die Erlebnisse und Erfahrungen des Kindes an und bietet bei weitere Beschäftigung mit der Thematik die Möglichkeit zu weiteren Entwicklung notwendiger Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Es geht dabei weniger darum, einfach das zu machen, was das Kind gerade toll findet, sondern viel mehr darum, zu identifizieren, für was das Kind sich gerade interessiert und welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten daraus entwickelt werden können.

5 Fragen um Schlüsselsituation zu identifizieren

  • Brauchen die Kinder weitere Anregungen, um mit der beobachteten Situation kompetent umgehen zu können?
  • Wie ist der Bezug der Situation zur Lebenswirklichkeit der Kinder und welche Bedeutung hat die Situation für die Entwicklung der Kinder?
  • Für wie viele Kinder ist die Situation von Bedeutung?
  • Welche Bedürfnisse, Interessen und Probleme von Kindern sind (vermutlich) in der Situation enthalten?
  • Welche Bildungsinhalte können daraus abgeleitet werden?

Die 16 Grundsätze im Situationsansatz der Pädagogik

Kommen wir nun zu den 16 Grundsätzen des Situationsansatzes. Diese 16 Grundsätze sind ziemlich selbsterklärend, eine genauere Ausführung würde den Rahmen dieses Videos vollkommen sprengen. Falls du dir die Grundsätze noch mal im gesamten anschauen möchtest oder eine ausführlichere Erklärung benötigst, dann schaue doch mal hier. Dort findest du einen weiterführenden Link zum Situationsansatz und den 16 Grundsätzen.

  1. Die pädagogische Arbeit geht von den sozialen und kulturellen Lebenssituationen der Kinder und ihrer Familien aus.

  2. Erzieherinnen finden im kontinuierlichen Diskurs mit Kindern, Eltern und anderen Erwachsenen heraus, was Schlüsselsituationen im Leben der Kinder sind.

  3. Erzieherinnen analysieren, was Kinder können und wissen und was sie erfahren wollen. Sie eröffnen ihnen Zugänge zu neuem Wissen und neuen Erfahrungen, die für ihr Aufwachsen von Bedeutung sind.

  4. Erzieherinnen unterstützen Mädchen und Jungen in ihrer geschlechtsspezifischen
    Identitätsentwicklung und wenden sich gegen stereotype Rollenzuweisungen.

  5. Erzieherinnen unterstützen Kinder, ihre Fantasie und ihre schöpferischen Kräfte im Spiel zu entfalten und sich die Welt in der ihrer Entwicklung gemäßen Weise anzueignen.

  6. Erzieherinnen ermöglichen, dass jüngere und ältere Kinder im gemeinsamen Tun ihre vielseitigen Erfahrungen und Kompetenzen aufeinander beziehen und sich dadurch in ihrer Entwicklung gegenseitig stützen können.

  7. Erzieherinnen unterstützen Kinder in ihrer Selbständigkeitsentwicklung, indem sie ihnen ermöglichen, das Leben in der Kindertageseinrichtung aktiv mit zu gestalten.

  8. Im täglichen Zusammenleben findet eine bewusste Auseinandersetzung mit Werten und Normen statt. Regeln werden gemeinsam mit Kindern vereinbart.

  9. Die Arbeit in der Kindertageseinrichtung orientiert sich an Anforderungen und Chancen einer Gesellschaft, die durch verschiedene Kulturen geprägt ist.

  10. Die Kindertageseinrichtung integriert Kinder mit Behinderungen, unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen und Förderbedarf und wendet sich gegen
    Ausgrenzung.

  11. Räume und ihre Gestaltung stimulieren das eigenaktive und kreative Tun der Kinder in einem anregungsreichen Milieu.

  12. Erzieherinnen sind Lehrende und Lernende zugleich.

  13. Eltern und Erzieherinnen sind Partner in der Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder.

  14. Die Kindertageseinrichtung entwickelt enge Beziehungen zum sozial-räumlichen Umfeld.

  15. Die pädagogische Arbeit beruht auf Situationsanalysen und folgt einer prozesshaften Planung. Sie wird fortlaufend dokumentiert.

  16. Die Kindertageseinrichtung ist eine lernende Organisation.

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