In diesem Beitrag wird das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung nach Erik Erikson dargestellt und einfach erklärt. Das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung gliedert sich in 8 Stufen auf. Jeder Mensch stellt sich diesen 8 Stufen der psychosozialen Entwicklung, von der Geburt bis zum Tod. Jede der 8 Stufen stellt eine Krise mit einem Konflikt dar, die positive Bewältigung einer Stufe liegt in der Klärung des jeweiligen Konflikts und führt zu einem Entwicklungsschritt. Schauen wir uns die psychosoziale Entwicklung nach Erikson mit seinem Stufenmodell in diesem Beitrag genauer an:
Inhaltsverzeichnis
Was ist das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung nach Erik Erikson?
Das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung stellt ein entwicklungspsychologisches Modell des Psychoanalytikers Erik Erikson dar. Erikson beschreibt dabei in seinem Stufenmodell die psychologische und soziale Entwicklung des Menschen anhand von 8 Stufen.
Die Entwicklung entfaltet sich in einem Spannungsfeld und Wirken zwischen Bedürfnissen und Wünschen des Menschen und den sich stellendenden Anforderungen der sozialen Umwelt. Diese Anforderungen unterliegen ebenfalls einer Entwicklung und Veränderung. In Bezug auf die Umwelt beschreibt Erikson, dass die Beziehungen und Interaktionen (zu Menschen und auch zu Gegenständen) eine wesentliche Rolle in der Entwicklung darstellt.

Das Stufenmodell gliedert sich in 8 verschiedene Stufen, mit denen sich jeder Mensch bis zu seinem Tod auseinandersetzt. Jede der 8 Stufen stellt eine Krise mit einem Konflikt dar, die positive Bewältigung einer Stufe liegt in der Klärung des jeweiligen Konflikts. Die nächste Stufe kann jedoch auch bei nicht Bewältigung des Konflikts oder einer negativen Bewältigung des Konflikts erfolgen.
Eine positive Bewältigung ist also nicht zwingend notwendig, jedoch für die weiteren Stufen und damit einhergehenden Krisen von großem Vorteil, sie bilden sozusagen das Fundament für weitere Stufen und Konflikte. Die Konflikte werden nie vollkommen abgeschlossen, sie bleiben ein Leben lang mal weniger aktuell, mal mehr aktuell.

Die 8 Stufen der psychosozialen Entwicklung
Stufe 1: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen
Erstes Lebensjahr („Ich bin, was man mir gibt“)
Das Kind entwickelt ein Vertrauen oder ein Misstrauen in die Welt. Ein Urvertrauen entsteht, wenn sich die Hauptbezugsperson (in den meisten Fällen die Mutter oder der Vater) um die lebensnotwendigen Bedürfnisse wie Nahrung, soziale Interaktion, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit kümmert.
Das Baby ist vollkommen hilflos, es kann sich nicht alleine ernähren oder vor Gefahr schützen, also ist es auf andere Personen angewiesen. Wenn diese Hilflosigkeit wahrgenommen und aufgehoben wird, kann ein Urvertrauen entstehen, ein Gefühl, sich tiefgehend verlassen zu können. Ein tiefes inneres Gefühl von Sicherheit entsteht.
Wenn die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht oder kaum wahrgenommen und aufgehoben werden, dann kommt es laut Erikson zu einem Urmisstrauen der Welt gegenüber. Das Gefühl, nichts bezwecken zu können, keinen Einfluss zu haben und der Umwelt schutzlos ausgeliefert zu sein sind dabei tiefe innere Gefühle. Es entsteht Unsicherheit und Angst. Leere Gefühle, Depressionen und starke Abhängigkeitswünsche können Ausdruck von Urmisstrauen sein.

Stufe 2: Autonomie vs. Scham und Zweifel
Vom ersten bis zum dritten Lebensjahr („Ich bin, was ich will“)
In dieser Stufe findet die erste Entwicklung einer Identität und eines Selbstkonzeptes statt. Das Kind lernt Autonomie, also gewissermaßen eine Selbständigkeit und die Möglichkeit, selbst die Umwelt zu entdecken.
Für diese Stufe ist eine positive Bewältigung des ersten Konflikts (Urvertrauen vs. Urmisstrauen) wichtig. Das Kind muss das Gefühl haben, dass es in einer sicheren Welt lebt und Unterstützung und Sicherheit von seinen Bezugspersonen erhält. Das Kind geht auf eigene Entdeckungsreise, kann aber jederzeit in seinen sicheren Hafen zurückkehren, ohne das dieser verloren geht. Eine Spannung zwischen festhalten und loslassen der Bezugsperson, das Kind steht vor einem Autonomiekonflikt. Dieser Entdeckungsdrang nennt sich auch Exploration und ist maßgeblich für eine positive Entwicklung.
Wird das explorative Verhalten eingeschränkt oder ist nicht möglich, nimmt das Kind seine Bedürfnisse als schmutzig oder falsch wahr. Das Kind entwickelt Zweifel und Scham seiner eigenen Identität gegenüber. Es können Zwänge entstehen, sehr selbstkritisches Verhalten, Putz und Waschzwänge, Überpünktlichkeit und perfektionistische Ansprüche.

Stufe 3: Initiative vs. Schuldgefühl
Vom vierten bis zum fünften Lebensjahr („Ich bin, was ich mir vorstellen kann, zu werden“)
Das Kind kann immer sicherer gehen und entdeckt immer mehr die Welt, es differenziert sich selbst in seiner Persönlichkeit und Identität. Gleichzeitig wird die Umwelt immer differenzierter wahrgenommen. Das Kind ist neugierig und hinterfragt alles was es hört oder sieht, was ihm begegnet oder was ihn interessiert. Ein Kind in dieser Stufe stellt im Schnitt 400 Fragen am Tag. Es testet sich in verschiedenen Rollen aus und erkundet neugierig die Umwelt. Das Kind fängt auch an sich mit seinem eigenen Geschlecht auseinanderzusetzen.
Die ödipale Phase beginnt, das Kind setzt sich nicht nur mit dem eigenen Geschlecht, sondern auch mit dem Geschlecht der Eltern und anderer Personen im engeren Umfeld auseinander.
Ein weiterer Punkt dieser Phase ist die Entwicklung des Gewissens und erster Einschätzungen des eigenen Handelns. Es ist weiterhin wichtig, dass der Erwachsene das Kind nicht mit Schuldgefühlen und schlechtem Gewissen überhäuft und ihm Sicherheit bietet. Andererseits ist es auch wichtig, dass das Kind lernt, mit den eigenen Gefühlen und dem Gewissen in Einklang zu kommen.
Eine negative dieser Phase spiegelt sich in starken allgemeinen Schuldkomplexen, Übergewissenhaftigkeit sowie hysterischen Symptomen wieder.

Stufe 4: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl
Vom sechsten Lebensjahr bis zur Pubertät („Ich bin, was ich lerne“)
Der Werksinn ist das Bedürfnis des Kindes, etwas herzustellen und etwas sinnvolles und nützliches zu leisten. Das Kind möchte, dass ihm andere zeigen wie etwas funktioniert. Das Kind verlässt das Rollenspiel, welche in Stufe 3 noch aktuell war. Das Kind will nicht mehr so tun als ob, es will die Rolle einnehmen. Es ahmt nicht mehr im Spiel nach wie ein Fußballer oder einer Ballerina zu sein,
sondern es tritt nach Möglichkeit einem Fußballverein oder einer Tanzschule bei. Das Kind sucht nach Erfolgserlebnissen, nach Anerkennung für die Taten, das geschaffte und der eingenommen Rollen.
Gar keine Forderung oder eine Überforderung sind in dieser Phase negativ, im schlimmsten Fall entwickelt sich ein dauerhaftes Minderwertigkeitsgefühl, welches sich so stark verinnerlicht, dass es auch durch Erfolge nicht mehr beseitigt werden kann. Im negativen Fall kommt es zu Unsicherheit, Ängsten und Vermeidungsverhalten.

Stufe 5: Identität vs. Identitätsdiffusion
Vom ca. 13. bis zum 20. Lebensjahr („Ich bin was ich bin“)
Diese Stufe ist geprägt von der Bildung einer Identität. Aber was ist eine Identität? Die Definition sagt, eine Identität ist die Echtheit einer Person; die völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird. Das bedeutet für die Person die in dieser Stufe steckt, dass sie versucht herauszufinden wer sie wirklich ist und wie sie in die Gesellschaft passen könnte. Es wird vieles hinterfragt, die eigene Person, die Bezugspersonen, die Rolle in der Gruppe mit gleichaltrigen (Peer Groups), das andere Geschlecht, eine mögliche Berufswahl und so weiter.
Es wird ein Selbstbild geformt. Auch der Körper fängt an sich zu ändern und es stellt sich die Frage; „Wer bin ich?“. Die Antwort darauf können Elemente aus den vorherigen Phasen liefern; Vertrauen, Autonomie, Initiative, Fleiß und so weiter. Die Identitätsfindung gelingt besser, wenn in diesen Phasen positive Erfahrungen gemacht wurden.
Wenn dies nicht der Fall ist, kommt es zu einer sogenannten Identitätsdiffusion. Der jugendliche und junge Erwachsene kann keine stabile Ich-Identität bilden. Bei einer Identitätsdiffusion ist der Jugendliche oder junge Erwachsene sehr anfällig für Gruppen und Strukturen, die ihm auf den ersten Blick helfen wollen und eine Identität bieten. Dies können zum Beispiel sehr ausdrucksstarke Gruppierungen, wie eine gewaltbereite Ultrafanszene oder politisch extreme Organisationen sein.

Stufe 6: Intimität und Solidarität vs. Isolation
Das frühe Erwachsenenalter – 20 bis 45 Jahre („Wir sind, was wir lieben“)
Erst durch eine geklärte eigene Identität ist der Mensch in der Lage eine tragfeste Partnerschaft und Intimität einzugehen. Lerne dich kennen, lerne dich lieben und erst dann bist du bereit jemand anderen zu lieben und eine tragfeste Beziehung zu führen. Es findet ein Ausloten zwischen Nähe und Distanz in Partnerschaft, Familie und Freundschaft statt. Der Mensch lernt es, sich seinem Partner voll zu öffnen, respektiert allerdings auch seine Person und Identität. In abgeschwächter Form findet dies auch mit Freundschaften statt.
Der negative Ausgang des Konflikts in dieser Phase ist die Isolation. Menschen sind dann unfähig Freundschaften oder Beziehung, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten oder überhaupt erst einzugehen. Eine andere negative Folge der nicht Bewältigung dieser Phase kann sich in einer vollkommenen Aufopferung und Verschmelzung zum Partner äußern. Es kommt im negativen Ausgang also zu einer vollkommenen Isolation zu anderen Menschen oder zu einer vollkommenen Aufopferung und der Selbstaufgabe.

Stufe 7: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption
Erwachsenenalter – 45 bis 65 Jahre („Ich bin, was ich bereit bin zu geben“)
Mit Generativität ist die Schaffung, Weitergabe und Absicherung von Werten in die Zukunft gemeint. Vereinfacht gesagt eine neue Generation mitzugestalten. In der ganz direkten Form geschieht dies als Eltern, aber es ist auch möglich, eine neue Generation durch den Job, das Ehrenamt oder über andere Formen mitzugestalten. Erikson bezeichnet diesen Wunsch der Weitergabe von Werten in die Zukunft als Generativität.
Das Gegenteil ist die Selbstabsorption, worunter eine Vereinsamung verstanden wird. Dies kann als negativer Ausgang dieser Lebensphase verstanden werden. Zwischenmenschliche Beziehungen werden wenig gepflegt, es entsteht ein tiefes Gefühl der Leere oder eine Überkompensation durch übertriebene Übermutterung.

Stufe 8: Ich-Integrität vs. Verzweiflung
Reifes Erwachsenenalter ab ca. 65 Jahren (Ich bin, was ich mir angeeignet habt)
Die letzte Aufgabe, der letzte zu überwindende Konflikt ist das Zurückblicken auf das eigene Leben. Es gilt die Aufgabe wahrzunehmen, was man getan an, positives und negatives, dies zu akzeptieren und somit den eigenen Lebenszyklus zu akzeptieren. Es entsteht laut Erikson ein Gefühl der Weisheit, es ist möglich ein ruhiges und ausgeglichenes Leben zu führen.
Im negativen Fall, kann das eigene Leben nicht akzeptiert werden, das Gefühl, eine zweite Chance zu wollen macht sich breit. Etwas verpasstes unbedingt anders machen zu müssen und der starke Drang noch einmal leben zu müssen wird stärker. Das eigene Leben enttäuscht die Person, es stellt sich eine starke Unzufriedenheit und laut Erikson ein Lebensekel ein. Die Person ist bis zum Zeitpunkt des Todes unzufrieden und hat eine starke Todesfurcht.
