Die psychosexuelle Entwicklung wurde in einer Theorie von Sigmund Freud zusammengefasst. Dabei geht Freud auf prägende Entwicklungsphasen hinsichtlich der psychosexuellen Entwicklung ein. Die Theorie ist zusammen mit dem Eisbergmodell Teil von Freuds Psychoanalyse. Heute werden die Inhalte kritisch betrachtet, sind aber in Ausbildung und Studium noch häufig Thema. Nach diesem Beitrag wirst du die Theorie der psychosexuellen Entwicklung nach Freud verstehen und nachvollziehen können.
Inhaltsverzeichnis
Erste Infos zur psychosexuellen Entwicklung
Das Phasenmodell der psychosexuellen Entwicklung wurde von dem Psychoanalytiker Sigmund Freud entwickelt. Generell spielen die Begriffe und Themen der Sexualität, des Triebs und der Libido laut Sigmund Freud eine große Rolle in der Entwicklung des Menschen. Aus diesen Gedanken leitete Sigmund Freud die Theorie der psychosexuellen Entwicklung ab.
Das Phasenmodell besteht insgesamt aus 5 Phasen, welche laut Freud Schritt für Schritt überwunden werden müssen. Die einzelnen Phasen gehen laut Freud ineinander über, wodurch auch eine Überlappung möglich ist. Innerhalb jeder einzelnen Phase gibt es bestimmte Körperzonen auf die sich die Aufmerksamkeit des Menschen konzentriert und über die er gezielt lustvolle Reize aufnimmt. Diese Körperzonen werden von Freud als erogene Zonen bezeichnet. Ein Beispiel vorweg, um diesen Punkt besser nachvollziehen zu können ist das Nuckeln des Kindes an einem Schnuller zur Emotionsregulierung in der oralen Phase.

Die Theorie der psychosexuellen Entwicklung spiegelt die Entwicklung des Menschen von der Geburt bis zur Pubertät wider. Der Fokus der Theorie liegt dabei auf der Entwicklung der eigenen Sexualität.
Laut Freud gibt es einen starken Zusammenhang zwischen traumatischen Störungen innerhalb einer Phase und auftretenden Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter (den sogenannte Fixierungen). Welche Störungen dies laut Freud genau sind, wird gleich bei den jeweiligen Phasen erwähnt. Viele Punkte an Freuds Theorie der psychosexuellen Entwicklung sind die Grundlage weiterführender Gedanken, Theorien und Konzepte.
Aber es muss auch deutlich gesagt werden, dass einige Punkte deutlich kritisch betrachtet werden und teilweise schon als überholt gelten. Auf einige Kritikpunkte an der Theorie gehe ich am Ende dieses Beitrags ein. Zusammen mit dem Eisbergmodell bzw. Instanzenmodell der Psyche bildet die Theorie der psychosexuellen Entwicklung die Grundlage von Sigmund Freuds Psychoanalyse.

Psychosexuelle Entwicklung - die Phasen
Die orale Phase der psychosexuellen Entwicklung
Diese Phase umfasst das erste bis zweite Lebensjahr. Die erogene Körperzone in dieser Phase ist der Mund, die Lippen und die Zunge. Das bedeutet, dass der Mund in dieser Entwicklungsphase als primäre Quelle zur Befriedigung dient. Das Kind erforscht die Umwelt und nimmt Dinge in den Mund um sie zu entdecken. Neben dem Saugen an der Brust der Mutter zur Nahrungsaufnahme, nuckelt und saugt das Kind auch an seinem Fläschchen, dem Schnuller oder dem eigenen Daumen. Dies beruhigt das Kind, baut Stress ab und dient der Emotionsregulierung.
Die Entwicklungsaufgabe in dieser Phase ist die Entwöhnung der oben genannten Punkte. Laut Freud kann das Baby dies Entwicklungsphase der oralen Phase nur überwinden, wenn die Entwöhnung erfolgreich gelingt. Dies geschieht meist langsam und Schritt für Schritt, eine maßgebliche Rolle spielen dabei die Eltern. Eine radikale Entwöhnung und ein abruptes beenden führt zu massiven Stress und zu Komplikationen in dieser Phase.

Laut Freud können sich Komplikationen in der oralen Phase der psychosexuellen Entwicklung im späteren Verlauf der Entwicklung wie folgt äußern:
- Starke Anfälligkeit fürs Rauchen oder für maßloses Essen, da über diese Wege das ungestillte Bedürfnis nach oraler Befriedigung stimuliert wird.
- Generelle Anfälligkeit für Süchte
- Eine niedrige Frustrationstoleranz
Die anale Phase der psychosexuellen Entwicklung
Diese Phase umfasst das zweite bis dritte Lebensjahr. In dieser Phase erfährt das Kind die Befriedigung einerseits über das Ausscheiden von Exkrementen (also dem Kot). Andererseits erfährt der Mensch Befriedigung darüber, dass es die Exkremente zurückhalten kann. Das Kind lernt also, den Schließmuskel kontrollieren zu können. Für das Kind ist dies ein großer Schritt Sauberkeit erzielen zu können.
Prägend in dieser Phase ist der Gang aufs Töpfchen und auf die Toilette und generell die Sauberkeitserziehung. Bei der Sauberkeitserziehung sollte jedoch sehr darauf geachtet werden, das Kind nicht zu sehr unter Druck zu setzen (beispielsweise ein unter Strafe stellen wenn das Kind vergisst sich die Hände zu waschen). Oder den Toilettengang und Stuhlgang mit Scham zu behaften, dadurch kann es zu Komplikationen und Störungen in dieser Phase kommen.

Laut Freud können sich Komplikationen in dieser Phase im späteren Verlauf der Entwicklung wie folgt äußern:
- neurotische und/oder zwanghafte Verhaltensweisen (beispielsweise Entwicklung
eines Waschzwangs) - starkes Gründlichkeit und Ordnungsbedürfnis mit Einschränkungen im alltäglichen
Leben - ausgeprägt stures und/oder unkontrolliertes Verhalten
Die phallisch ödipale Phase der psychosexuellen Entwicklung
Diese Phase umfasst das vierte bis sechste Lebensjahr. In dieser Phase richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Erforschung des eigenen Körpers, insbesondere der eigenen Genitalien. Dabei ist aber nicht nur das eigene Geschlecht interessant, sondern auch das andere. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden Kindern bewusst. Nicht untypisch in dieser Phase sind auch die sogenannten Doktorspiele unter Kindern, welche nichts mit der sexuellen Befriedigung im erwachsenen Sinne zu tun haben.
Jungs stellen fest, dass Mädchen keinen Penis haben und Mädchen stellen fest, dass Jungs einen Penis haben. Laut Freud entwickelt sich hier bei Jungs die Kastrationsangst, also die Angst ihr Genital zu verlieren. Mädchen entwickeln den sogenannten Penisneid. In dieser dritten Phase kommt es laut Freud zum Ödipus Konflikt, welcher besagt, dass sich Jungs in dieser Phase zu ihrer Mutter hingezogen fühlen (und sie besitzen wollen, beispielsweise durch Heirat). Gleichzeitig entsteht eine Rivalität dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, also dem Vater, gegenüber, teilweise entstehen Fantasien, dass dieser verschwinden soll.
Freud hat diesen Konflikt nur auf Jungs bezogen, Carl Gustav Jung hat dieses Phänomen um den Elektra Konflikt bzw. Elektrakomplex erweitert, der das gleiche auf Mädchen bezogen beinhaltet. Die Entwicklungsaufgabe in der Phase ist die Bewältigung und Überwindung des Ödipus Konfliktes.

Es kann laut zu Störungen in dieser Phase kommen. Laut Freud kann sich dies im späteren Verlauf der Entwicklung wie folgt äußern:
- Problematiken in der eigenen Geschlechterrolle
- Stark ausgeprägte Eitelkeit und Rücksichtslosigkeit
- Entwicklung von Neurosen und Zwängen
Die Latenzphase in der psychosexuellen Entwicklung
Diese Phase umfasst die Zeit vom sechsten Lebensjahr bis zur Pubertät. In dieser Phase kommt es hinsichtlich der psychosexuellen Entwicklung zu einem Stillstand. Kinder in dieser Phase verlieren oder unterdrücken ihre Sexualität und andere Themen rücken in den Vordergrund. Laut Freud werden sexuelle Energien in dieser Phase in den Aufbau einer Abwehr gegen die Sexualität kanalisiert. Das äußert sich in dieser Phase beispielsweise dadurch, dass Jungs Mädchen doof und eklig finden und Mädchen Jungs doof und eklig finden. Das ganze ohne, dass dies auf eine tatsächliche sexuelle Orientierung hindeutet. Es werden eher gleichgeschlechtliche Spielpartner gesucht und bevorzugt. Schamgefühle entwickeln sich und Kinder distanzieren sich langsam von ihren Eltern, körperliche Nähe wird unangenehmer. In dieser Phase werden hinsichtlich der psychosexuellen Entwicklung keine Entwicklungsaufgaben genannt, zumindest keine, die Freud für eine spätere Störung oder Problematik in der Persönlichkeit verantwortlich macht.

Die genitale Phase in der psychosexuellen Entwicklung
Diese Phase beginnt ab der Pubertät.
Mit Beginn der Pubertät werden Geschlechtshormone ausgeschüttet, welche sich maßgeblich auf die physische und psychische Entwicklung auswirken. Es kommt zu enormen körperlichen und psychischen Veränderungen, der Mensch wird geschlechtsreif. In dieser Phase entwickelt sich langsam die Sexualität im erwachsenen Sinne, die Abwehr gegenüber des anderen Geschlechts wird abgebaut. Es entstehen zuerst sexuelle Fantasien, dann ein sexuelles Interesse und später der Wunsch nach sexuellen Erfahrungen.

Störungen in dieser Phase der psychosexuellen Entwicklung können sich laut Freud im späteren Verlauf der Entwicklung wie folgt äußern:
- Bindungsängste
- Angst vor Intimität
- Konflikt mit der eigenen Geschlechtsidentität
Kritik an Freuds Theorie der psychosexuellen Entwicklung
Einige Punkte der Theorie werden heute deutlich kritisch betrachtet und zum Teil auch schon als überholt bezeichnet. Dennoch sind sie Grundlage aufbauender wichtiger Theorien und Konzepte. In diesem Beitrag soll es um den Lerninhalt der Theorie der psychosexuellen Entwicklung nach Freud gehen, also nicht darum, ob es jetzt richtig oder falsch ist. Dennoch halte ich es für notwendig die folgenden Kritikpunkte zu nennen und sie zu beachten:
- Freud hat klar formuliert, dass jedes Kind alle diese Phasen in genau dieser
Reihenfolge durchläuft, dies also universell gilt. Dies konnte nie wissenschaftlich nachgewiesen werden. - Der angesprochene Penisneid und die Kastrationsangst werden heute stark
angezweifelt und unter wissenschaftlicher Perspektive deutlich fragwürdig. - Freud spricht der psychosexuellen Entwicklung eine enorme Rolle zu. Dies betont Freud in seiner Theorie immer wieder dadurch, dass es zu schwerwiegenden Problematiken in der Persönlichkeit des Menschen kommt, wenn es zu Störungen in den jeweiligen Phasen kommt. Auch dies ist deutlich fragwürdig und kann nur schwer wissenschaftlich überprüft werden. Häufig wird innerhalb der Theorie von Freud eine Neurose oder Zwangserkrankung als Folge einer traumatischen Störung innerhalb einer Phase benannt, es gibt mittlerweile tragbarere wissenschaftliche Konzepte und Theorien die psychische Erkrankungen erklären.
