Personenzentrierte Theorie und personenzentrierter Ansatz nach Carl Rogers

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In diesem Beitrag wirst du alle wichtigen Informationen und Lerninhalte zur personenzentrierten Theorie nach Carl Rogers finden.
Die personenzentrierte Theorie (auch personenzentrierter Ansatz) wurde von Carl Rogers entwickelt. Die Theorie stellt eine Grundlagentheorie für viele weitere Theorien und Ansätze aus der Pädagogik und Psychologie dar. Die personenzentrierte Theorie wird als eine Grundüberzeugung über das Wesen des Menschen verstanden. Sie befasst sich also damit wie der Mensch ist, wie sich seine Psyche entwickelt, wie es zu persönlichen Wachstum kommt, aber die personenzentrierte Theorie bietet ebenso einen Erklärungsansatz dafür, wie sich psychische Erkrankungen beim Menschen entwickeln.

Inhaltsverzeichnis

Was genau ist die personenzentrierte Theorie?

Wie in der Einleitung schon erwähnt, wurde die personenzentrierte Theorie von Carl Rogers entwickelt und stellt eine Grundlagentheorie für viele weitere Theorien und Ansätze aus dem Bereich der Pädagogik und Psychologie dar. 

Carl Rogers wird auch als ein Mitbegründer des humanistischen Menschenbilds verstanden. Bei der Theorie handelt es sich um eine Persönlichkeitstheorie. Sie befasst sich also schwerpunktmäßig mit der Persönlichkeit des Menschen und dessen Entwicklung. Schauen wir uns jetzt an, welche Grundannahmen der personenzentrierten Theorie zu Grunde liegen. 

Carl Rogers personenzentrierte Theorie Persönlichkeitstheorie personenzentrierter Ansatz

Die Grundannahmen der personenzentrierten Theorie

Jeder Mensch strebt nach Entwicklung und Entfaltung und möchte diese erhalten – so lautet eine Annahme, welche Carl Rogers Theorie zu Grunde liegt. Das bedeutet, dass die Annahmen der personenzentrierten Theorie auf diesem Gedanken fußen. 

Außerdem war Carl Rogers der Überzeugung, dass wirklich jedes Leben das Potenzial nach Wachstum in sich trägt und dieses nur darauf wartet, aktiviert zu werden. Dieses Potenzial stellt die entscheidende Triebkraft zur Entwicklung des Menschen dar und wird von Rogers auch als das Streben nach Selbstverwirklichung beschrieben.

Es sind bestimmte Voraussetzungen notwendig, um dieses Wachstumspotenzial des Menschen zu aktivieren. Carl Rogers nennt hier grundlegend zwei Punkte: Selbstbestimmung und Autonomie. Dem Menschen muss also für die positive und konstruktive Entwicklung seiner Persönlichkeit Mitspracherecht, Freiheit und ein Spielraum gewährt werden. 

Grundannahmen personenzentrierte Theorie nach Rogers

Das Selbstkonzept - Was ist das?

Das Selbstkonzept umfasst vereinfacht gesagt die Bilder die ein Mensch über sich selbst hat. Dabei stellt das Selbstkonzept ein übergeordnetes Muster innerhalb der Psyche eines Menschen dar. Laut Carl Rogers nimmt der Mensch sich selbst und seine Umwelt individuell und subjektiv wahr.
Das Selbstkonzept beinhaltet alle Meinungen, Urteile, Bewertungen und Wahrnehmungen die der Mensch von sich selbst hat. Aufgrund dieser Wahrnehmung richtet der Mensch sein Verhalten aus. Zum Selbstkonzept gehört außerdem das Wissen über die eigenen individuellen Eigenschaften, Fähigkeiten, Vorlieben, Gefühle und das eigene Verhalten.
Das Selbstkonzept besteht aus positiven und negativen Inhalten. Die subjektive und individuelle Wahrnehmung entspricht dabei nicht immer der objektiven Umwelt. Jeder Mensch entwickelt ein Konzept seiner Selbst, egal ob kleines Kind oder ein alter Rentner. Das Selbstkonzept kann sich stetig weiterentwickeln und verändern.

Selbstkonzept aus der personenzentrierten Theorie und dem personenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers

Wie es zu innerer Anspannung und Konflikten kommt

Die personenzentrierte Theorie bietet einen Erklärungsansatz für innere Anspannung, Unzufriedenheit im Leben und psychischen Konflikten. Wie dieser Erklärungsansatz aussieht, wollen wir uns in diesem Abschnitt anschauen. Carl Rogers unterscheidet in seiner Theorie zwischen dem Real-Selbst und dem Ideal-Selbst. Diese Kernbegriffe sind grundlegend. Daher werfen wir einen genaueren Blick auf diese:

Das Real-Selbst

Das Real Selbst entspricht dem, wie der Mensch sich und sein Leben aktuell sieht, bewertet und einschätzt. Dabei geht es beim Real-Selbst aber nicht darum, wie andere Personen ihn wahrnehmen, sondern wirklich nur, wie es der Mensch selbst tut. Dennoch kann das Real-Selbst natürlich auch durch Bewertungen, Meinungen und Äußerungen aus der Umwelt beeinflusst werden, positiv, aber auch negativ. 

Das Ideal-Selbst

Das Ideal Selbst entspricht dem, wie der Mensch gerne wäre, wie sich der Mensch in Zukunft sieht. Das Ideal Selbst beinhaltet also vor allem Wünsche, Ziele, Visionen und Perspektiven welche der Mensch von sich und seinem Leben hat, wohin er möchte, wie er werden will, was er anstrebt. 

Diskrepanz zwischen Real- und Ideal-Selbst führt zu Konflikten

Kommt es zu einer großen Diskrepanz zwischen dem Real-Selbst und dem Ideal-Selbst (also dem wie sich der Mensch selbst sieht und dem, wie der Mensch gerne sein möchte), dann kann es zu einer Unzufriedenheit und inneren Anspannung kommen. Möglicherweise entstehen Konflikte beim Menschen. Dies ist vor allem der Fall, wenn es für den Menschen keine Perspektive gibt, die Diskrepanz aufzuheben oder zu beseitigen. Eine auflösbare Diskrepanz kann motivierend und entwicklungsförderlich wirken. 
Dabei ist all das ein kognitiver Prozess. Dieser Prozess ist aber immer untrennbar mit Emotionen verbunden, also gefühlsvollen Bewertungen. Je nachdem ob diese emotionalen Bewertungen positiv oder negativ sind, führt dann dazu, dass der Mensch entweder ein hohes oder ein niedriges Selbstwertgefühl hat.

Selbstkonzept Real Selbst und Ideal Selbst

Wie entwickelt sich das Selbstkonzept?

Das Selbstkonzept umfasst die Bilder und Bewertungen, die der Mensch von sich selbst hat. Auf Grundlage des Selbstkonzept richtet der Mensch sein Handeln und seine Verhaltensweisen aus, entwickelt Interessen, Vorlieben, Hobbys und entwickelt eine Persönlichkeit. Hinsichtlich der Entwicklung des Selbstkonzepts nennt Rogers hier den Begriff des organismischen Erlebens

Was ist das organismische Erleben?

Das organismische Erleben kann auch als innerer körperlicher Kompass bezeichnet werden. Der Körper gibt dem Menschen eine Rückmeldung und ein Feedback zur der erlebten Situation oder Gegebenheit.
Wichtig dabei ist, dass das organismische Erleben bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Manche Menschen fahren für ihr Leben gerne Achterbahn, sind voller Adrenalin, einem Bauchkribbeln und positiver Gefühle, manche Menschen haben Todesangst bei einer Achterbahnfahrt, mit Schweißausbrüchen und panischem Herzrasen. Manche Menschen lieben es zu meditieren und sind danach total entspannt und ausgeglichen, andere Menschen können die Stille kaum ertragen und werden sogar aggressiv.
Wir erinnern uns, dass der Mensch nach Selbstverwirklichung und Entwicklung strebt. Der Mensch stellt sich bei diesem organismischen Erleben unbewusst die Frage, ob die jeweilige Erfahrung und das Erleben die eigene Entwicklung und Selbstverwirklichung fördert oder ob es diese hemmt. Fördert die Erfahrung die Entwicklung die Selbstverwirklichung, dann soll diese wiederholt bzw. beibehalten werden. Der Mensch wird ein Verlangen und einen Drang danach verspüren. So formt sich das Selbstkonzept mit dem Bild über sich selbst und den emotionalen Bewertungen und Deutungen.

-> „Ich bin jemand der gerne Achterbahn fährt, deshalb bin ich mutig!“

-> „Ich bin jemand der gerne meditiert, ich bin sehr ausgeglichen und achtsam!“

So erkennt der Mensch außerdem, ob eine Erfahrung, ein Erlebnis ihm und seinem selbst entspricht. So entstehen Vorlieben, Verhaltensweisen und Hobbys.
Ein Junge beispielsweise bekommt von seinem Körper das Feedback, dass ihm Ballett enorm Spaß macht, er verspürt Freude, großes Interesse und merkt, dass er voll in seinem Element ist. Wo wir auch schon zum nächsten Faktor kommen, welcher sich auf die Entwicklung des Selbstkonzepts auswirkt. 

personenzentrierte Theorie organismische Erleben

Einfluss der Umwelt - Gesellschaft, Familie und Freunde

Das Selbstkonzept wird außerdem durch die Rückmeldung und das Feedback aus der
Umwelt geformt. Zum Beispiel durch Familie, Eltern, Freunde und Co. Vor allem bei jungen Kindern ist die Einflussnahme durch die Familie und die Eltern sehr stark. Es geht hier also darum, ob und wie Verhaltensweisen, Handlungen, Hobbys und so weiter bewertet werden und wie die Rückmeldung dazu ausfällt.
Kommt es zu einer Übereinstimmung zwischen dem organismischen Erleben des Menschen und der Rückmeldung aus der Umwelt, dann führt das mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit dazu, dass sich ein positives Selbstbild mit einem hohen eigenen Selbstwertgefühl entwickeln wird. Eine der Grundlagen für psychische Gesundheit und Stabilität. Beispielsweise bekommt die Person die gerne Achterbahn fährt zurückgemeldet, wie mutig sie ist, die meditierende Person erhält die Rückmeldung, wie ausgeglichen und achtsam sie ist.

Falsches Selbst mit geringem Selbstwertgefühl

Es kann aber natürlich auch dazu kommen, dass organismisches Erleben und die
Rückmeldung aus der Umwelt nicht übereinstimmen.
Wir erinnern uns an den Jungen der gerne Ballett macht. Der Vater des Jungen legt viel Wert auf ein traditionelles Bild von Männlichkeit. Das Interesse seines Sohnemanns entspricht absolut nicht den Vorstellungen des Vaters von Männlichkeit. Der Vater teilt seinem Sohn immer wieder mit, dass Ballett nur was für Mädchen ist und nicht zu richtigen Jungs passt, so aus ihm niemals ein echter starker Mann wird. Er soll lieber in einen Karate oder Judoverein gehen. Der Vater schenkt seinem Sohn zu diesem Thema keine Zuwendung oder Aufmerksamkeit bzw. nur negative.

Das organismische Erleben (die Freude und Energie die er beim Ballett verspürt) passt nicht zu der Rückmeldung des Vaters (negative Kommentare und Entzug von Zuwendung). Bei dem Kind kommt es zu einem inneren Konflikt. Das Kind lernt dadurch, dass sein Gefühl falsch ist, da er ja ein Junge ist und Jungs sich nicht für Ballett interessieren und zusätzlich dass er genau so fühlen soll wie sein Vater. Erst dann erhält er Zuspruch und Zuwendung von diesem.
Zuwendung gibt es also für den Jungen, wenn er sich für Karate oder Judo interessiert. Das Kind möchte dem Vater gefallen, Kinder sind in gewissen Alters- und Lebensabschnitten maßgeblich abhängig von der Zuwendung und Aufmerksamkeit der Bindungspersonen (in dem Fall des Vaters). Dadurch kommt es zu einem erneuten Konflikt. Nämlich dadurch, dass zwar jetzt die Rückmeldung seitens des Vaters positiv ist, aber das organismische Erleben des Kindes beim Karate oder Judo nicht stimmt.
Beim Kind entwickelt sich so ein falsches Selbst. Dies hat zur Folge, dass das Kind keine Selbstachtung und nur ein geringes Selbstwertgefühl aufbauen kann. Der Grund dafür ist, dass das Kind das eigene organismische Erleben zurückstellt und die Handlungen und Verhaltensweisen nicht aus seiner Selbst her aufbaut, sondern diese darauf basieren, dass das Kind den Vater zufriedenstellen will, da es von Zuwendung und Aufmerksamkeit abhängig ist. Ein absolut negatives Fundament für ausgeprägte Identitätskrise im Laufe des Lebens des Jungen. Dieses Beispiel lässt sich aber natürlich auf viele weitere Situationen übertragen.

Die Bedeutung für den Erziehungsprozess

Besonders im Erziehungsprozess ist es hier fatal, wenn die Erziehung und Beziehung an
Bedingungen geknüpft wird. Die Erwachsenen also Bedingungen schaffen, welche das Kind erfüllen muss, damit es Zuwendung und Aufmerksamkeit erhält. Richtig kritisch wird es dann, wenn dem Kind langfristig immer wieder Signale gesendet werden, dass es nicht in Ordnung ist so wie es ist. Das Kind bekommt vermittelt:
„Du bist nur in Ordnung, wenn du meinen Erwartungen und Anforderungen entsprichst, deine Sichtweise zählt dabei nicht.“ Das blockiert die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts mit einem gesunden Selbstwertgefühl enorm.

Diese negativen Signale können verbal ausgesprochen werden (Alles geht dir schief, du schaffst das nicht, streng dich mal mehr an, das wird wieder nichts, du hast zwei Linke Hände, du bist einfach unfähig). Sie können aber auch symbolisch vermittelt werden, beispielsweise durch Strafen und Sanktionen, Taschengeld streichen, Hausarrest, Strafarbeiten, Nachsitzen oder in extrem Fällen psychische und physische Gewalt.

Was ist die Aktualisierungstendenz?

Eine Grundannahme von Rogers lautet, dass jeder Mensch nach Entwicklung und Entfaltung strebt und diese erhalten will. Jedes Leben trägt das Potenzial nach Wachstum in sich, dieses wartet nur darauf aktiviert zu werden. Dieses Potenzial nach Wachstum ist die Triebkraft aller Menschen. Rogers nennt dies das Streben nach Selbstverwirklichung. Das Ausschöpfen des Menschen seiner eigenen Entwicklungspotenziale, dem Wunsch nach Selbstbestimmung und Autonomie. Genau das ist die Aktualisierungstendenz des Menschen. Aus dem vorab bestehenden Selbstkonzept und den neuen Erfahrungen durch das organismische Erleben (bspw. der körperlichen Erfahrung, dass Achterbahn fahren doch spaßig ist) entsteht ein neues Selbstbild des Menschen. Das Selbstbild wurde aktualisiert, deshalb spricht man hier auch von der Selbstaktualisierung.

Flexibles Selbst und starres Selbst

Bei der Selbstaktualisierung hat Rogers eine weitere Unterteilung vorgenommen. Menschen gelingt die Selbstaktualisierung, also die Anpassung und Implementierung neuer Gegebenheiten und Erfahrungen in das eigene Selbstkonzept, dann am besten, wenn sie ein sogenanntes flexibles Selbst besitzen. Ein flexibles Selbst entwickelt sich beim Menschen vor allem dann, wenn ein hohes Gefühl des Selbstwerts beim Menschen vorherrscht. Dann schaffen es Menschen tendenziell besser, sich neuen Erfahrungen und Gegebenheiten zu öffnen und diese zu integrieren.

Der Gegenspieler zu dem flexiblen Selbst ist laut Rogers das starre Selbst. Das starre Selbst wird Menschen zugesprochen, welche über ein geringes Selbstwertgefühl verfügen. Auf neue Erfahrungen und Gegebenheiten welche nicht in das eigene Selbstkonzept passen, kann sich ein Mensch mit starrem Selbst gar nicht oder nur sehr sehr schwer einlassen. Die neuen Erfahrungen stellen dann nämlich eine weitere Bedrohung des jetzt schon geringen und niedrigen Selbstwertgefühls dar und wollen daher um jeden Preis vermieden werden. Der Mensch sieht in diesen neuen Erfahrungen und Gegebenheiten eine Bedrohung. Der Grundsatz der Theorie nach Rogers lautet ja, dass dieser nach Entwicklung und Entfaltung strebt bzw. Diese erhalten möchte, das Unterbewusstsein des Menschen mit starrem Selbst vermittelt ihm ,dass die Entwicklung und Entfaltung und die Erhaltung dessen gefährdet ist durch die neue Situation. 

Die Entstehung psychischer Erkrankungen

Laut Carl Rogers können sich psychische Probleme durch eine anhaltende sogenannte
chronische Inkongruenz beim Menschen entwickeln. Eine Inkongruenz bedeutet, dass es zu einer Diskrepanz, also Abweichung, kommt zwischen dem wie man sich selbst erlebt und wie man aktuell ist (also dem Real Selbst) und dem wie man sein möchte (Ideal Selbst). Diese Inkongruenz ist nicht per se schlecht, sie kann auch dazu führen, dass sich der Mensch  weiterentwickelt und immer zufriedener wird, nämlich dann, wenn er es schafft diese Diskrepanz aufzuheben und es zu einer Anpassung des Selbstkonzepts kommt.
Kritisch und gefährlich für die psychische Gesundheit wird es, wenn diese Inkongruenz wie eingangs erwähnt chronisch wird, also lange anhaltend und der Mensch es nicht schafft die Diskrepanz aufzuheben und infolge dessen beginnt die Realität zu Verleugnen oder zu verzerren. Das kann z.B bei unrealistisch hohen Ansprüchen an sich selbst der Fall sein (bei extrem Perfektionisten z.B). Wenn diese kurz vorm Burn Out stehen, alle Signale ignorieren und sich einreden, dass sie sich nicht doll genug anstrengen und einfach effizienter werden müssen.

Ein anderes Beispiel sind relevante und einschneidende Veränderungen welche über einen langen Zeitraum nicht in das Selbstkonzept integriert werden können (die Gefahr ist beispielsweise bei einem Todesfall oder einer schwerwiegenden Krankheit hoch).

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