In vielen Kindergärten und Kitas wird nach dem offenen Konzept gearbeitet. Aber was genau ist eigentlich das offene Konzept? Was sind Vor- und Nachteile gegenüber anderen konzeptionellen Ansätzen? In diesem Beitrag schauen wir uns das offene Konzept genau an und blicken dabei auch auf eine Studie, welche auf die Chancen und Risiken des offenen Konzept in Kitas und Kindergärten eingeht.
Inhaltsverzeichnis
Das offene Konzept in Kita und Kindergarten
Ganz generell gibt es die unterschiedlichsten Konzepte und Strukturen, nach denen eine Kindertagesstätte aufgebaut ist. Viele kennen die Struktur in Kindertagesstätten, in denen es feste Gruppen mit einem dazugehörigen Gruppenraum gibt. In diesem Gruppenraum verbringen die Kinder mit dem pädagogischen Fachpersonal (also in der Regel den Erziehern und Erzieherinnen) den überwiegenden Teil des Alltags. In diesem Gruppenraum gibt es Funktionsecken, beispielsweise die Bauecke, die Ruheecke, die Mal- und Bastelecke und so weiter. Die Fachkräfte bieten den Kindern Angebote an; beispielsweise Bilderbuchbetrachtungen, Traumreisen, Konstruktions- oder Mal- und Bastelangebote und so weiter. Alle diese Möglichkeiten finden in einem Raum statt.

Im offenen Konzept werden diese Stammgruppen mit den Funktionsecken aufgelöst. Es gibt also keinen festen Gruppenraum mehr in der Kindertagesstätte in dem sich alle Kinder einer Gruppe den Tag über aufhalten, sondern es gibt sogenannte Funktionsräume. Es wird also gruppenübergreifend gearbeitet. Das Haus ist anhand seiner Räume in Funktionen und Bereiche aufgeteilt. Ein Raum ist beispielsweise der Mal- und Bastelraum, ein Raum ist der Verkleidungsraum, ein Raum ist der Bewegungsraum, bzw. einer die Turnhalle usw. Den einzelnen Räumen sind pädagogische Fachkräfte zugewiesen, welche im Idealfall Experten und Expertinnen in dem jeweiligen Themenschwerpunkt sind.
An dieser Stelle muss auch das teiloffene Konzept, die teiloffene Arbeit erwähnt werden. Es ist also auch ein Mittelweg möglich; in diesen Einrichtungen gibt es noch feste Gruppen und Räume, diese werden aber an einem bestimmten Punkt des Alltags aufgebrochen und es wird zu einem offenen Konzept übergegangen. Beispielsweise wird bis zum ersten Stuhlkreis in Gruppen gearbeitet, anschließend findet die offene Arbeit statt und zum Ende des Kindergartentages findet sich zum Abschlussstuhlkreis alle Kinder einer Gruppe wieder in dem Gruppenraum zusammen und werden verabschiedet.

Wie ist das offene Konzept entstanden?
Der Ansatz und das Konzept der offenen Arbeit in Kindertagesstätten entwickelten sich grob in den 1960er und 1970er Jahren. Anfang der 1970er Jahre wurde in Hessen der erste Kindergarten mit offenem Konzept eröffnet. In den 1970er Jahren verbreitete sich diese Herangehensweise und der Ansatz in Deutschland immer weiter. Das Konzept der offenen Arbeit in Kindertagesstätten wurde durch die Ansätze und Grundideen verschiedener Reformpädagogen angeregt (beispielsweise durch Rousseau, Montessori, Korczak, Piaget usw.). Du findest HIER einen ausführlichen Beitrag zu Korczaks Pädagogik. So viel zur Entstehungsgeschichte der offenen Arbeit in Kindertagesstätten.

Was ist die Idee hinter dem offenen Konzept?
Die Idee dahinter ist, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich die Spielgruppen und die Spielaktivitäten eigenständig auszuwählen und sich mit Aktivitäten zu befassen, die sie aus einer eigenständigen Motivation heraus interessieren und begeistern.
Der Grundgedanke und das grundlegende Bild vom Kind ist, dass das Kind aktiver Gestalter und Konstrukteur ist, dies betrifft vor allem den Bereich der Entwicklung und Bildung. Es wird davon ausgegangen, dass Kinder selbstverantwortlich und selbstgesteuert das wählen, was sie gerade für ihre Entwicklung und Bildung benötigen und sich so bestmöglich entfalten und entwickeln können. So werden optimale Lernvoraussetzungen vom Kind selbst geschaffen, ohne das die pädagogische Fachkraft eingreift und dem Kind etwas vorsetzt, auf das es gar keine Lust und gar kein Interesse dran hat. Wann spiele ich, wo spiele ich, was spiele ich und wie lange spiele ich? Das Spielen wird hierbei ganz eng mit einem Bildungsprozess verstanden, das Kind spielt also nicht nur, sondern es lernt ganz immens, frei nach Fröbel; das Spiel als höchste Form der Bildung und kindlichen Entwicklung.

Das Ziel hinter dem offenen Konzept in Kitas
Durch die offene Arbeit soll vor allem gefördert werden, dass das Kind die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Gefühle, Interesse, Fähigkeiten und Fertigkeiten kennenlernt. Dadurch wird das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen und allen voran die Selbstwirksamkeitserfahrungen gefördert und ermöglicht. Das oberste Ziel des offenen Konzepts ist die Förderung der Selbstbestimmung und die Möglichkeit zur Mitbestimmung und Teilhabe. Das Kind soll lernen, sich selbst zu organisieren, eigene Interessen zu entdecken, benennen und entwickeln zu können. Dadurch kommt es zur Förderung und Entwicklung unterschiedlichste Fähigkeiten und Kompetenzen. Der Effekt gut durchdachter und strukturierter offener Arbeit wurde wissenschaftlich untersucht. Diese wissenschaftliche Untersuchung wollen wir uns jetzt anschauen.

NUBBEK Studie zum offenen Konzept in Kitas
Die NUBBEK Studie (NUBBEK steht für Nationale Untersuchung über Betreuung, Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit), kam zu einem Ergebnis, welches der offenen Arbeit deutlich positive Effekte zuspricht. Bei dieser Studie wurden über 2000 Kinder aus 600 Betreuungseinrichtungen untersucht, mit dem Ziel die pädagogische Qualität der Betreuung und Bildung verschiedener Einrichtungen zu untersuchen. Die NUBBEK-Studie war die erste und bislang einzige Studie in Deutschland, welche die pädagogische Qualität der Früherziehung im deutschen Bildungssystem auf breiter Basis untersucht hat.

Dazu möchte ich folgende Ergebnisse aus der Studie zitieren:
„[…] dass die pädagogische Qualität in den untersuchten Kindertageseinrichtungen signifikant höher liegt, wenn die Teams offen arbeiten“ und „[…] die pädagogische Qualität zeigte sich in zahlreichen Merkmalen in allen Bereichen der pädagogischen Arbeit, das heißt bezüglich Platz und Ausstattung, dem Handling von Betreuungs- und Pflegesituationen, der sprachlichen und kognitiven Anregung, dem Spektrum an ermöglichten Aktivitäten, in der Interaktion zwischen Fachkraft und Kind, aber auch in der Strukturierung der pädagogischen Arbeit.“
(Quelle zur Studie klicke HIER)
Notwendige Bedingungen für das offenen Konzept
Wie eingangs schon erwähnt, wird die offene Arbeit in vieler Hinsicht diskutiert, positiv und negativ. Wie gerade dargestellt gibt es Punkte die deutlich für die offene Arbeit sprechen, aber es gibt auch Punkte die deutlich kritisch betrachtet werden können. Vor allen die Dinge, wenn die offene Arbeit und das offene Konzept nicht wirklich durchdacht umgesetzt wird.
Es gibt einige Punkte, die gegeben sein müssen, so gesehen das notwendige Grundgerüst, damit die offene Arbeit funktioniert. Ganz grundlegend ist es wichtig, dass das Team hoch kooperativ zusammenarbeitet und auch wirklich als Team funktioniert, Absprachen und konstruktive Zusammenarbeit ist super wichtig. Es muss natürlich auch ein ernsthaftes Interesse an der offenen Arbeit vorhanden sein, die Fachkräfte müssen von Grund auf dazu bereit sein, Partizipation und Offenheit zu leben. Leider sind nicht alle Menschen dazu bereit, sich die Wünsche, Bedürfnisse und die Stimmen von Kinder ernsthaft anzuhören, ihnen ein offenes Ohr entgegen zu bringen, sie ernst zu nehmen und die Inhalte in den pädagogischen Alltag mit aufzunehmen.

Risiken und Nachteile des offenen Konzepts in Kitas
Kommen wir zu einigen Kritikpunkten. Das sind vor allem Punkte, welche vermehrt dann auftreten, wenn das offene Konzept nur wenig durchdacht umgesetzt wird. Die Kritikpunkte sind sehr wichtig, da bei nicht Berücksichtigung dieser Punkte die offene Arbeit eher Schaden als Nutzen anrichtet und nicht selten in einem lauten und unorganisiertem Chaos endet.
Mit der größte Punkt ist die rechtliche Situation, vor allem die Aufsichtspflicht. (Ich verlinke dir HIER einen ausführlichen Beitrag zur Aufsichtspflicht). Es ist möglich, dass viele Kinder gleichzeitig in einen bestimmten Funktionsraum möchten. Dabei ist immer die Aufsichtspflicht zu beachten, eine Fachkraft kann nicht gleichzeitig auf 15 Kinder achten. Passiert etwas, dann gibt es große Probleme, da man den verantwortlichen Personen eine vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung vorwerfen kann. Andererseits kann man aus der Grundidee der offenen Arbeit auch Kindern nicht verbieten einen Funktionsraum aufzusuchen und ihnen einen Funktionsraum zuweisen, nur weil da gerade viel los ist.

Ein weiterer Punkt ist die Eingewöhnung und das Verblassen einer pädagogischen Fachkraft als feste Bezugsperson für das Kind. Es besteht die Gefahr, dass sich ein neues Kind in einem großen Haus überfordert fühlt, deshalb ist eine wirklich gute und positive Eingewöhnung super wichtig für die Kinder. In festen Gruppen mit festem Ablauf und sicherheitsgebenden Strukturen ist die individuelle und positive Eingewöhnung teilweise schon eine Herausforderung, im offenen Konzept wird dies noch schwieriger, dort muss ein großes Augenmerk drauf gelegt werden.

Sind die pädagogischen Fachkräfte nicht achtsam und feinfühlig genug (oder haben schlichtweg keine Lust auf die Mühen und die Arbeit welche die offene Arbeit mitbringt), dann ist die Gefahr groß, dass junge und vor allem schüchterne Kinder untergehen. Sie in den Kinderkonferenzen nicht zu Wort kommen und an der Partizipation und den Mitbestimmungsmöglichkeiten gar nicht teilnehmen können, weil sie nicht gesehen und gehört werden.