Die Kapitaltheorie nach Pierre Bourdieu besagt, dass der Erfolg, die soziale Position und die Macht eines Menschen in der Gesellschaft, durch den Besitz und die Anhäufung von 4 unterschiedlichen Kapitalformen bestimmt wird. Dabei geht es in der Kapitaltheorie aber um deutlich mehr als Geld, Vermögen und Gehalt. Bourdieu nennt hier das kulturelle Kapital, das soziale Kapital, das ökonomische Kapital und das symbolische Kapital. In diesem Beitrag schauen wir uns die Kapitalformen von Pierre Bourdieus Kapitaltheorie genauer an. Hier findest du eine weitere wichtige Theorie von Bourdieu; die Habitustheorie.
Inhaltsverzeichnis
Wer war Pierre Bourdieu? Erste Infos zur Kapitaltheorie
Pierre Bourdieu war französischer Soziologe und hat sich in seiner Berufslaufbahn vor allem mit sozialer Ungleichheit beschäftigt, schwerpunktmäßig mit sozialer Ungleichheit in Bildung und Gesellschaft. Einen Erklärungsansatz bietet hier unter anderem die Habitustheorie nach Bourdieu.
Die Kapitaltheorie besagt, dass der Erfolg, die soziale Position und die Macht eines Menschen in der Gesellschaft durch den Besitz und die Anhäufung von 4
unterschiedlichen Kapitalformen bestimmt wird. Der Begriff des Kapitals ist dabei nicht ausschließlich mit Geld oder Währung zu übersetzen. Bourdieu versteht das Kapital viel mehr als Ressource in einem bestimmten Bereich. Anhand der Kapitalformen lassen sich soziale Ungleichheiten (egal ob in Bildung, Politik, Beruf usw.) darstellen und analysieren. Insgesamt wird zwischen 4 Kapitalformen also Oberkategorien unterschieden. Es gibt das ökonomische Kapital, das kulturelle Kapital, das soziale Kapital und das symbolische Kapital. Fangen wir mit dem ökonomischen Kapital an.

Das ökonomische Kapital in der Kapitaltheorie
Zu dem ökonomischen Kapital zählen materielle Ressourcen, also tatsächlich das Geld, Einkommen und Vermögen, Immobilien, Unternehmen, Aktien und andere finanzielle Vermögenswerte. Durch ökonomisches Kapital kann der Mensch Waren und Dienstleistungen kaufen und seine Grundbedürfnisse und Individualbedürfnisse befriedigen. Machen wir weiter mit dem kulturellen Kapital.

Das kulturelle Kapital in der Kapitaltheorie
Das kulturelle Kapital wird laut Bourdieu in drei Unterkategorien aufgeteilt. In das inkorporierte, objektivierte und in das institutionelle kulturelle Kapital. Schauen wir uns zuerst das inkorporierte kulturelle Kapital an
Inkorporiertes kulturelles Kapital (auch Bildungskapital)
Inkorporiert bedeutet verinnerlicht. Es geht also um die kulturellen Ressourcen, welche der Mensch verinnerlicht hat. Bourdieu nennt diese Unterkategorie des kulturellen Kapitals auch Bildungskapital. Dazu zählt beispielsweise die Sprache, formale Bildung, musische Fähigkeiten, Wissen über Kunst, Literatur, Musik usw. Diese Kapitalform kann von anderen Personen nicht weggenommen werden kann, eben weil diese Kapitalform nicht materiell ist. Dieses Kapital entsteht und verinnerlicht sich vor allem durch Sozialisation und Bildungsprozesse.

Objektiviertes kulturelles Kapital
Bei dieser Kapitalform geht es um kulturelle Objekte, wie beispielsweise Bücher, Gemälde, Musikinstrumente usw. Das objektivierte kulturelle Kapital spiegelt den materiellen Ausdruck von kulturellem Kapital wider, diese Kapitalform kann beispielsweise gegen Geld eingetauscht werden.

Institutionelles kulturelles Kapital
Das institutionelle kulturelle Kapital bezieht sich zum einen auf den Zugang zu Bildungseinrichtungen, zu Kulturstätten (wie Theater, Museum, Kino), zu Freibädern, Jugendhäusern, Jugendzentren usw. Durch den Zugang zu diesen Einrichtungen kann der Mensch kulturelles Kapital aufbauen und hat Zugang zu weiteren Ressourcen. Wie beispielsweise dem sozialen Kapital.

Das soziale Kapital in der Kapitaltheorie
Das soziale Kapital kann auch als die sozialen Beziehungen und Netzwerke verstanden werden. Welche Beziehungen hat der Mensch? Hat er eine Familie? Geschwister? Verwandte? Gute Freunde? Eine Partnerschaft? Bekannte? Berufliche Kontakte? Ist er Mitglied in einem Verein oder einer Organisation?
Es geht also um die sozialen Beziehungen und Verbindungen, auf welche der Mensch zurückgreifen kann und welche ihm Unterstützung bieten können.

Das symbolische Kapital in der Kapitaltheorie
Das symbolische Kapital bezieht sich auf den sozialen Status, das Prestige, die Anerkennung, welche der Mensch in der Gesellschaft genießt. Durch das symbolische Kapital kann der Mensch deutliche Vor-, aber auch deutliche Nachteile haben. Je nachdem wie die Gesellschaft den jeweiligen sozialen Status bewertet und wahrnimmt. Ein Arzt hat einfach nur durch seinen Berufsstand eine ganz andere Stellung in der Gesellschaft als eine Bürofachkraft, egal wie gut sie oder er ihren Job ausführt.

Kapitaltheorie Bourdieu - weitere Infos + Beispiel
Diese verschiedenen Kapitalformen sind in Bourdieus Theorie eng miteinander verflochten. Sie können sich auch gegenseitig verstärken oder verringern. Ein Beispiel:
Durch ökonomisches Kapital (also Geld) kann beispielsweise kulturelles Kapital aufgebaut werden. Dadurch, dass in die beste Schule oder Universität investiert wird, das eigene Kind noch 1-2 Jahr länger intensiv studieren kann (ohne sich massiv zu verschulden) und im Anschluss noch eine Weltreise möglich ist. Einfach weil es sich die Eltern leisten können und den Wert davon für ihr Kind erkannt haben. Durch das Studium, die Erfahrungen auf der Weltreise und der finanziellen Entlastung ist es dem Kind, bzw. dann Jugendlichen, schon möglich weitere Kapitalformen auszubauen, zu verinnerlichen und anzuhäufen. Beispielsweise könnte er wertvolle Kontakte in der Uni oder auf der Weltreise geknüpft haben, kulturelles und soziales Kapital aufgebaut haben und durch sein soziales Netz vielleicht sogar seinen Traumjob finden.

Ein Kind aus einer Familie in der kaum Geld vorhanden ist und auch den Eltern wenig kulturelles, soziales und symbolisches Kapital zur Verfügung steht, wird es zum Start des Lebens deutlich schwieriger haben. Und das unabhängig von der Intelligenz, der Begabung oder den Charaktereigenschaften.
Ein chancengleiches Bildungssystem könnte dies abfedern, in Deutschland ist jedoch genau der Gegenteil der Fall. Die soziale Herkunft bestimmt maßgeblich über den Erfolg im Bildungssystem (siehe PISA Studien).
Eine These von Bourdieus Kapitaltheorie lautet, dass der Zugang zu und die Verteilung von Kapitalformen die entscheidenden Faktoren für soziale Ungleichheit in einer Gesellschaft sind. Die gesellschaftliche Stellung kann so von Generation zu Generation reproduziert werden.
