Habitus Pierre Bourdieu – Habitustheorie

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Der Begriff des Habitus und die damit zusammenhängende Habitustheorie wurde von dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu entwickelt. In diesem Beitrag wollen wir uns einführend anschauen, was die Habitustheorie beinhaltet und was Bourdieu mit dem Habitus meint. Die Theorie findet in verschiedenen Fachdisziplinen Anklang, so beispielsweise in der Soziologie, die Anthropologie, die Pädagogik, die Psychologie und die Bildungsforschung. Es ermöglicht eine tiefere Analyse sozialer Strukturen, Praktiken und individueller Handlungen und trägt zur Erklärung sozialer Ungleichheit bei. Schauen wir uns die Habitustheorie jetzt aber genau an.

Inhaltsverzeichnis

Was ist mit Habitus und der Theorie gemeint?

Die Habitustheorie ist eine zentrale Idee des französischen Soziologen Pierre Bourdieu. Sie bezieht sich auf die internalisierten (also verinnerlichten), oft unbewussten Denk-, Bewertungs- und Verhaltensmuster, die beim Menschen in einer bestimmten sozialen Umgebung entwickelt werden. Der Habitus prägt die individuellen Wahrnehmungen, Präferenzen, Haltungen, Bewertungen und Handlungen einer Person.

Die Habitustheorie geht also davon aus, dass der Mensch ganz maßgeblich durch seine soziale Umgebung (vor allem in den frühen Lebensphasen des Lebens) geprägt wird. Diese Prägung wirkt sich stark auf die Wahrnehmung, das Erleben und Verhalten des Menschen aus.

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Wie entsteht der Habitus?

Pierre Bourdieu definiert den Habitus als Resultat sozialer Erfahrungen und Praktiken, die in der Gesellschaft verankert sind. Der Habitus entsteht durch die Wechselwirkung zwischen dem individuellen Handeln der Menschen und den sozialen Strukturen, in denen sie leben. Der Habitus wird in der frühen Kindheit und Jugend durch die Sozialisation und das Umfeld geprägt, verinnerlicht sich und bleibt dann relativ stabil.

Eine Theorie besagt, dass der Mensch in der frühen Kindheit lernt in seiner sozialen Umgebung zu überleben und zu bestehen. Er schaut sich an, wie die anderen Menschen agieren. Dadurch erlernt der Mensch eben diese individuelle Wahrnehmung, die Haltung, das Erleben und die Handlungen die in dieser sozialen Umgebung notwendig sind. Der Mensch reproduziert also im Prinzip auf eine individuelle Art und Weise den Habitus der Menschen aus der sozialen Umgebung in welcher er aufwächst.

Ein Mensch, welcher beispielsweise in extremer Armut aufgewachsen ist, wird ein Leben in vollkommenen Luxus wahrscheinlich als befremdlich und falsch wahrnehmen. Genauso wird ein Mensch, welcher in der frühen Kindheit in extremen Reichtum aufgewachsen ist, deutlich höhere Lebensstandards als normal erachten und ein Leben mit Mittelstand als deutlich befremdlicher wahrnehmen.

Welche Auswirkungen hat der Habitus?

Der Habitus prägt das Verhalten einer Person innerhalb eines sozialen Feldes und bestimmt ihre Fähigkeit, Kapital (z.B. soziales, kulturelles und ökonomisches Kapital) zu erwerben und in diesem Feld erfolgreich zu sein. Bourdieu argumentiert beispielsweise, dass der Habitus eine wichtige Rolle bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit spielt. Menschen mit ähnlichem Habitus tendieren dazu, ähnliche Positionen in der Gesellschaft einzunehmen und ähnliche Möglichkeiten und Ressourcen zu haben. Das ganze fernab von Intelligenz oder einer angeborenen Begabung. Dadurch kann soziale Ungleichheit über Generationen hinweg aufrechterhalten bleiben.

Durch den Habitus werden beispielsweise auch Glaubenssätze übernommen, welche genau dies reproduzieren können. Diese Glaubenssätze spiegeln unter anderem den Habitus wider, welcher hoch individuell ist und wie wir gelernt haben, von der sozialen Herkunft abhängig ist.

„Arbeit lohnt sich nicht, ich brauche keine Ausbildung oder Studium!“ „Aktien sind nur etwas für reiche Menschen!“ „Meine Eltern sind Akademiker, Mensch können nur erfolgreich sein, wenn sie studiert haben!“ „Erst wenn man ein Haus gebaut hat und Kinder bekommen hat, ist man erfolgreich!“ und so weiter. Hier kann es in sämtliche Extreme gehen, wie beispielsweise Rassismus, Sexismus und so weiter.

Der Habitus kann soziale Ungleichheit reproduzieren - eine Studie

Der Habitus und die eben erwähnte Reproduktion spiegelt sich auch in Studien wider. So beispielsweise im sogenannten Bildungstrichter in Deutschland.  Der Bildungstrichter zeigt auf, dass von 100 Kindern aus einer Familie in der die Eltern selbst nicht studiert haben, 27 ein Studium beginnen und das obwohl sie über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen. Gleichzeitig beginnen von 100 Kindern aus Familien in denen mindestens ein Elternteil studiert hat 79 ein Studium. Alle Kinder haben die identischen formalen Voraussetzungen (nämlich die Hochschulzugangsberechtigung), die Unterschiede sind aber immens. Eine Begründung kann hier das Habitus Konzept von Bourdieu liefern.

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Habitus - die Dimensionen der Habitustheorie

Der Habitus umfasst verschiedene Dimensionen, wie z.B. den körperlichen Habitus (die Art und Weise, wie sich der Körper einer Person durch Bewegungen und Gesten ausdrückt), den kognitiven Habitus (die Denkmuster und kognitiven Strukturen einer Person – wie der Mensch Dinge einordnet und bewertet) und den ästhetischen Habitus (die Vorlieben und Geschmäcker einer Person in Bezug auf Kunst, Kultur und Ästhetik). Die Habitustheorie von Bourdieu hat einen großen Einfluss auf verschiedene Bereiche der Sozialwissenschaften, wie z.B. Auf die Soziologie, die Anthropologie, die Pädagogik, die Psychologie und die Bildungsforschung. Es ermöglicht eine tiefere Analyse sozialer Strukturen, Praktiken und individueller Handlungen und trägt zur Erklärung sozialer Ungleichheit bei.

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