Jede Gruppe durchläuft unterschiedliche Phasen, die sogenannten Gruppenphasen. Bernstein und Lowy haben die einzelnen Gruppenphasen identifiziert, analysiert und zu einem Konzept zusammengestellt; den Gruppenphasen nach Bernstein und Lowy. In diesem Beitrag wollen wir uns die Phasen einer Gruppe einmal genau anschauen. Zusätzlich blicken wir darauf, was eine pädagogische Fachkraft in der jeweiligen Gruppenphase tun sollte.
Inhaltsverzeichnis
Gruppenphasen nach Bernstein und Lowy in der Gruppenpädagogik
Vor allem für pädagogische Fachkräfte ist es wichtig, die einzelnen Gruppenphasen in der Gruppenpädagogik zu kennen. Jede Gruppe durchläuft laut Bernstein und Lowy 5 Phasen. Man spricht hier auch von einem Gruppenprozess. Wichtig zu wissen ist, dass aber nicht jede Phase bei jeder Gruppe gleich lang andauern. Außerdem ist es möglich, dass eine Gruppe in eine bestimmte Phase zurückfällt. Die Inhalte der Gruppenpädagogik sind sehr umfangreich, ich verlinke dir an dieser Stelle einen ausführlichen Beitrag zu den unterschiedlichen Rollen in einer Gruppe. Schauen wir uns jetzt die 5 Gruppenphasen nach Bernstein und Lowy genau an.
Fremdheits- und Orientierungsphase nach Bernstein und Lowy
Diese Phase stellt die erste in einem Gruppenprozess dar. Die Gruppe ist entstanden und die Menschen kommen an. Die Gefühle und Emotionen der Gruppenmitglieder können in der Phase sehr unterschiedlich sein. Von ängstlich und zurückhaltend bis hin zu euphorisch und neugierig. Insgesamt herrscht in der Gruppendynamik wenig Vertrauen untereinander. Der Fokus der einzelnen Gruppenmitglieder liegt häufig auf sich selbst. In der Gruppe werden keine festen Gruppenbeziehungen eingegangen, da die gruppeneigenen Regeln noch nicht definiert wurden. Die Gruppenmitglieder wissen also nicht, welches Verhalten wirklich angemessen ist. Es gibt noch keine geklärten Rollen oder Normen, daher herrscht tendenziell Zurückhaltung.

Was kann die pädagogische Fachkraft tun?
Die pädagogische Fachkraft sollte die Mitglieder in dieser Phase behutsam empfangen und Willkommen heißen. Zusätzlich sollte ihnen Freiraum zum selbst erkunden gegeben werden. Dabei sollte eine gemütliche und lockerer Atmosphäre herrschen. Die pädagogische Fachkraft kann dabei das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder beobachten. Es sollte darauf geachtet werden, dass keine Person ausgeschlossen wird, dennoch sollte der pädagogischen Fachkraft bewusst sein, dass einige Personen zu Beginn mehr Distanz wünschen als andere. Niemand sollte zu etwas gezwungen werden. Dennoch kann zu gemeinsamen Spielen oder Aktionen angeregt werden.
Rollenklärungs- und Machtkampfphase nach Bernstein und Lowy
In dieser Phase beginnen die Gruppenmitglieder um ihre Funktion und Rollen zu ringen. Diese Kämpfe werden auch als Rangkämpfe bezeichnet. Dabei ist den vielen Gruppenmitgliedern wichtig Einfluss zu nehmen und Macht zu erhalten. Macht wird in diese Sinne als Durchsetzungsmöglichkeiten der eigenen Interessen verstanden. So gibt es Rollen in der Gruppe, welche mehr Macht und Einfluss auf die Gruppe haben als andere. Es kommt in der Gruppe zu Spannungen und Unruhen, es herrscht ein erhöhtes Aggressionspotenzial. Zwischen den Gruppenmitgliedern, aber auch gegenüber der Gruppenleitung, in unserem Fall also gegenüber der pädagogischen Fachkraft. Es kann auch dazu kommen, das Einzelne ausgeschlossen werden. Vereinzelt kommen Gruppen nie über diese Gruppenphase hinaus. Es kann auch zu einem Rückschritt in diese Phase kommen, wenn es in Gruppen zu kritischen Entscheidungen kommt.

Was kann die pädagogische Fachkraft tun?
Die pädagogische Fachkraft sollte dabei versuchen Aggressionen und Machtkämpfe zu klären und klare Grenzen zu setzen. Wichtig ist zu verstehen, dass diese Phase im Gruppenprozess ganz normal (und auch wichtig) ist. Dabei sollte die Gruppenleitung neutral bleiben und der Vorbildfunktion gerecht werden. Die pädagogische Fachkraft sollte Ausgeschlossene versuchen wieder in den Gruppenprozess zu integrieren und notwendige Unterstützung zu bieten. Sehr wichtig ist es, dass nicht bei jedem Konflikt eingegriffen werden sollte. Sondern diese Konflikte zu einem normalen Gruppenprozess dazugehören, die Gruppe lernt im Regelfall im Verlauf kleinere Konflikte auszuhalten.
Vertrautheits- und Intimitätsphase nach Bernstein und Lowy
Ist die Phase der Rollenverteilung abgeschlossen, nehmen die Konflikte ab. Die Gruppenstruktur stabilisiert sich. Es entsteht ein Wir-Gefühl. Die Mitglieder gehen direkt aufeinander zu und es wird versucht, positive Kontakte zu knüpfen. Die Gruppe grenzt sich zu anderen Gruppen ab und es werden eigene Erfahrungen im Gruppenkontext gesammelt. Es kann dazu kommen, dass eigene Symboliken erschaffen werden. Zum Beispiel ein Logo oder gemeinsame Kleidung.

Was kann die pädagogische Fachkraft tun?
Die pädagogische Fachkraft sollte der Gruppe in dieser Phase immer mehr Selbstverantwortung übertragen, es sollte also immer weniger Einfluss durch die Gruppenleitung stattfinden. Bei schwierigen Konflikten oder einem Rückschritt in die Machtkampfphase, sollte die pädagogische Fachkraft intervenieren. Sie kann sich einzelnen zuwenden und mit ihnen arbeiten.
Differenzierungsphase nach Bernstein und Lowy
Das Gruppengefühl und Wir-Gefühl wächst weiter. Macht- und Rangkämpfe verringern sich in der Gruppenphase immer weiter und die Gruppe wird noch stabiler. Die Unterschiedlichkeit der Einzelnen wird akzeptiert und im Idealfall als Bereicherung angesehen, außerdem können einzelnen Stärken optimal genutzt werden. Die Atmosphäre in der Gruppe wird als harmonisch beschrieben. Konflikte und Entscheidungen können sachlich und konstruktiv gelöst.

Was kann die pädagogische Fachkraft tun?
Die pädagogische Fachkraft sollte immer weiter in den Hintergrund treten. Nur noch notwendige Impulse und Anregungen werden benötigt. Durch den Gruppenleiter kann Kontakt zu anderen Gruppen aufgenommen werden.
Abschluss- und Trennungsphase nach Bernstein und Lowy
Wenn das Gruppenziel erreicht wurde und das Interesse am Zusammensein abgenommen hat, kommt es zu dieser letzten Phase. Ein Beispiel ist eine Schulklasse, welche ihren Abschluss macht. Das Ziel der Gruppe wurden mit Abschluss erreicht. Ein weiterer Grund können auch veränderte Interessen der einzelnen Gruppenmitglieder sein. Die Bereitschaft etwas zusammen zu unternehmen nimmt ab. Es besteht die Möglichkeit, dass es kurz vor Trennung zu einem Klammern kommt, die Gruppe aufrecht erhalten bleibt, dann beginnt der Gruppenprozess meist in der ersten Phase erneut.

Was kann die pädagogische Fachkraft tun?
Die pädagogische Fachkraft sollte offen über das Ende der Gruppe sprechen. Gemeinschaftlich kann auf die Gruppenzeit zurückgeschaut werden und die gemeinsame Zeit ausgewertet werden. Bei Bedarf kann eine Wiederbegegnung der Gruppe ermöglicht werden, zum Beispiel in Form eines Nachtreffens. Der Anschluss und Übergang zu anderen Gruppen kann ermöglich werden. Dies kann im Kindergarten beispielsweise geschehen, wenn ein Übergang in die Grundschule erleichtert wird, zum Beispiel durch eine Zusammenarbeit der Schule im letzten Kindergartenjahr.